Auf dem Weg zur offiziellen Städtepartnerschaft: Knittlingen, Benaojan und Montejaque

Flamenco-Flair trifft Fachwerk-Fans

KNITTLINGEN. In Knittlingen, Benaojan und Montejaque wird über eine offizielle Städtepartnerschaft nachgedacht. Obwohl die Distanz zwischen den Kommunen in Baden-Württemberg und Südspanien rund 2500 Kilometer beträgt.

nadine schmid

Vor etwa 25 Jahren wurden die ersten Kontakte zwischen Knittlingen und den zwei Bergdörfern Benaojan und Montejaque in Andalusien geknüpft. Gruppen mit offiziellen Vertretern aus den Rathäusern sind seitdem zu gegenseitigen Besuchen aufgebrochen, genauso wie Stadtkapelle und Fußballverein aus Knittlingen oder Privatpersonen. Während heute die Billigflieger in Stuttgart starten, beispielsweise in Malaga landen und es dann per Mietauto relativ schnell in die weißen Dörfer geht, war die Anreise Mitte der 1980er-Jahre beschwerlich. Mit dem Auto ging es in mehreren Etappen bis an den Südzipfel des europäischen Festlandes - die rund 2500 Kilometer waren schwer zu überbrücken, erinnert sich Helmut Begero. Der ehemalige Knittlinger Stadtrat war des Öfteren in Benaojan und Montejaque. Nennt die Bergdörfer mit ihren weißen Häusern "idyllisch und hübsch" und weiß von seinem ersten Besuch, dass es dort im Hochsommer "40 Grad im Schatten" haben kann. Das Reiseziel um Ostern und Pfingsten herum aber "wunderschön" ist.

Auf der Suche nach Arbeit

Der Kontakt in die Dörfer kam durch Gastarbeiter zustande, die Anfang der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts aus den "bettelarmen Dörfern" auf der Suche nach Arbeit nach Deutschland kamen. "Unsere Arbeitgeber", sagt Begero, "haben am Stuttgarter Bahnhof direkt Arbeitskräfte angeworben." Nach der ersten Familie siedelten sich weitere an. Viele gingen im Rentenalter wieder zurück in die spanische Heimat.
Wer in Knittlingen geblieben ist, hat es meist getan, weil er Wurzeln geschlagen hat. So wie der Vater von Daniel Escalante, der 1961 als einer der Ersten von Montejaque nach Knittlingen kam. Er heiratete eine Deutsche, das Paar bekam Nachwuchs. Während Onkel und Tanten mittlerweile wieder in Südspanien leben, fühlt sich Daniel Escalante als Knittlinger, ist im katholischen Kirchengemeinderat und dem Obst- und Gartenbauverein aktiv. Der 28-Jährige spricht wenig Spanisch. "Zu Hause haben wir immer Deutsch gesprochen", erzählt er.

Kunstrasen im Spiel eingeweiht

Das "tolle Gebiet" in Andalusien hat es Andreas Bickel angetan. Der Kassierer des Fußballvereins (FV) Knittlingen war bereits einige Male privat in Benaojan und Montejaque, und ist im vergangenen Jahr mit der AH-Mannschaft des FV hingeflogen, um den neuen Kunstrasen mit einem Spiel einzuweihen (die PZ berichtete). Für Bickel dessen "Sportskameraden" Christobal Naranjo, Rafael Fernandez sowie Miguel und Manuel Guerra den Ausflug mit vorbereitet haben, ist der Kontakt nach Südspanien auch persönlich wichtig: "Man kennt dort viele, die sich hier etwas erarbeitet haben, und dann wieder zurückgegangen sind", beschreibt der Knittlinger. 2010 planen die Alt-Herren-Kicker wieder einen Besuch in Benaojan und Montejaque. Pünktlich zur Prozession im April, wenn dort der Schutzpatron San Marco gefeiert wird. Für Peter Kohlmetz, aus der Vorstandschaft der Stadtkapelle Knittlingen, ist es nicht ausschlaggebend, ob die Kommunen eine offizielle Partnerschaft anstreben (die PZ berichtete). "Wir wollen den Austausch so oder so fortführen." Nachdem der Kontakt über den aus Benaojan stammenden Miguel Guerra zustande gekommen sei, war der Verein mit je 50 Musikern im April 2005 und 2008 in Spanien. Zum Fauststadtfest waren Musiker aus Benaojan und Montejaque in Knittlingen. Beide Dörfer haben Kapellen. "In Spanien läuft das anders, dort finanziert die Stadt den Vereinen die Instrumente", sagt Kohlmetz.

Im Kleinbus nach Spanien

Die Instrumente der Stadtkapelle hat Michael Arnold nach Benaojan und Montejaque gebracht - im Kleinbus. Ein Sprinter, bis unters Dach vollgepackt mit Flöte, Tuba und Trompete. Auch der Trikotkoffer der Altherren-Kicker passte noch rein. Vier Fahrer waren sie, erzählt Arnold. Gehalten wurde auf den rund 2500 Kilometern nur zum Tanken und Fahrerwechsel: "Das Auto ist permanent gerollt. Morgens um elf sind wir los, am nächsten Tag um zehn Uhr waren wir dort", erzählt der Tenorsaxofonist. Gerade richtig, um sich unter spanischer Sonne ein Bier zu gönnen. Wegen der Instrumente im Wert von rund 30000 Euro haben die Fahrer zwischen Barcelona und Alicante nachts nicht mehr auf Parkplätzen angehalten. "Davon rät Dir jeder ab", sagt Arnold, weil die Gefahr bestehe, dass man überfallen wird. Abwechslungsreich sei die Fahrt durch Nordfrankreich, das Rhonetal bis Barcelona und dann runter in den Süden. Außerhalb der Großstädte spricht Arnold von angenehmem Reisen. Wegen der Maut in Spanien und Frankreich ist weniger los, als man es von deutschen Autobahnen gewohnt ist. "Es ist keine Spielerei, aber ich bin jederzeit wieder dabei", sagt der 48-Jährige.



Viele Zuhörer fanden sich beim Platzkonzert der Knittlinger Stadtkapelle in Benaojan ein.



Fauststadt olé: Isabel Soraya Garcia Mesa, Bürgermeisterin von Benaojan, wirkte 2008 vor der Knittlinger Fachwerkkulisse mit weiteren Flamenco-Tänzern beim Umzug zum Fauststadtfest mit. PZ-Archiv/Haller

N.N.
Quelle
Verlag     : J. Esslinger GmbH und Co. KG.
Publikation     : PZ Mühlacker
Ausgabe     : Nr.61
Datum     : Samstag, den 14. März 2009
Seite     : Nr.23