Bollenhut statt Big Ben
Klamme Familienbudgets machen sich bei Studienfahrten und Schullandheimen bemerkbar

MÜHLACKER/KNITTLINGEN. Früher ging es zu Big Ben, der Tower-Bridge oder Madame Tussauds. Heute bieten viele Schulen keine Studienfahrten nach London mehr an. Denn für viele Eltern ist das zu teuer.

"Es ist subtil, aber zunehmend spürbar, dass sich manche Eltern Schullandheime oder Studienfahrten ihrer Kinder nicht mehr leisten können", berichtet die Schulleiterin des Maulbronner Salzach-Gymnasiums, Christine Stamler. Aus Kostengründen hat das Gymnasium daher die traditionelle Englandreise eingestellt. Die Zehntklässler fahren stattdessen nach Berlin. Und das Schullandheim geht nicht etwa an die Nordsee oder nach Südtirol, sondern in den Schwarzwald. Doch selbst diese Kosten von 150 bis 170 Euro sind für einige Eltern angesichts klammer Familienbudgets untragbar. In dem Fall gewähren Stadt, der Förderverein oder der Enzkreis einen Zuschuss. Laut dem Leiter des Kreisjugendamts, Wolfgang Schwaab, hat sich die Zahl der Anträge auf Bezuschussung des Schullandheim-aufenthalts von 30 im Jahr 2000 auf 60 Anträge im Jahr 2004 verdoppelt.

An der Knittlinger Dr.-Johannes-Faust-Schule springt der Förderverein ein, wenn eine Klassen- oder Studienfahrt aus finanzieller Not zu scheitern droht. Doch leicht ist es für die Schüler nicht, dies zuzugeben. "Die Hemmschwelle ist groß", weiß Schulleiter Roland Evers. Auch den Eltern ist es unangenehm, die Schule um Geld zu bitten. Wenn ein halbes Jahr vor der Fahrt von den Kosten die Rede sei, hofften manche, dass sich die finanzielle Lage noch bessert, hat Evers beobachtet. "Zwei Tage vor Abreise stand dann schon mal einer da und fragte: 'was machen wir wegen dem Geld?" Zuhause bleiben müsse aber keiner. Schließlich sei für den Zusammenhalt wichtig, dass sich die Schüler außerhalb des Unterrichts kennen lernen.

Zuschuss aus Sozialfonds

Laut Sybille Hollosi vom Amt für Bildung und Kultur in Mühlacker gibt es für jeden Schüler aus der Senderstadt pro Schullandheimstag einen Betrag von 1,50 Euro. Ob er auf die Klasse oder auf bedür! ftigere Schüler umgelegt werde, könne die Schule entscheiden.

Studienfahrten des Mühlacker Theodor-Heuss-Gymnasiums nach Schottland, Spanien oder Paris kosten 350 bis 400 Euro - ohne Taschengeld. Wenn Eltern dies nicht bezahlen können, gibt es Zuschüsse aus dem Sozialfonds, der vom jährlichen Weihnachtsbasar gespeist wird. Laut Rektor Thomas Mühlbayer hat zwar die Zahl der Anträge auf Zuschüsse zugenommen. Er führt dies aber auf eine größere Anzahl von Fahrten zurück. "Es sind oft dieselben Schüler, bei denen man weiß, dass es knapp ist.

Für einen Zuschuss braucht man daher keine Bescheinigung, das läuft auf Vertrauensbasis", sagt er. Angesichts von Hartz IV hat sich der Elternbeirat der Mühlacker Mörike-Realschule Gedanken gemacht, wie man künftig mit dem Schullandheim umgeht.

Seit einigen Jahren dauert das statt 14 Tage nur noch eine Woche. "Auch um Kosten zu sparen", sagt Schulleiter Wolfgang Schmidt. Bislang gewähren Förderverein und Elternbeirat einkommensschwächeren Familien ein Darlehen. Damit Studienfahrt oder Schullandheim nicht auf einmal wie eine unbezwingbare Hürde vor den Eltern auftauchen, sollen diese dafür ab der fünften Klasse sparen.

PZ-Artikel wurde erstellt von: Nicola Hiller am 08.04.2005.


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